Eine Partei schafft sich ab

Die Linzer SPÖ ist mit Bürgermeister Luger wieder einmal nach rechts umgefallen. Die SPÖ Linz hat bei einer Pressekonferenz in Linz ein so genanntes „Sicherheitskonzept“ präsentiert. Darin enthalten ist auch eine von FPÖ und ÖVP schon länger gestellte Forderung nach Zivilkontrollen der Stadtwache im „Kampf gegen organisierte Bettelei“. NGOs wie die Bettellobby Oberösterreich und die Caritas Oberösterreich haben sich klar gegen diese weitere Verschärfung im Kampf gegen arme Menschen ausgesprochen, die kein einziges Problem lösen wird.

Mit dem rechten Kampfbegriff „organisiertes Betteln“ hat der „rote“ Luger wieder einmal unreflektiert die Politik von der FPÖ übernommen, mit der schlicht normales menschliches Handeln kriminalisiert wird. Strafen werden ausgestellt, weil zwei BettlerInnen beim gemeinsam jausnen beobachtet werden, oder weil sie gemeinsam von A nach B reisen. Mehr Beweise für die „Bettelmafia“, die da immer mitschwingt, haben weder Polizei noch Stadtwache und schon gar nicht FPÖ oder SPÖ bisher vorgelegt. Aber die Hetze des Boulevards reicht, um diese kleine Gruppe von Menschen weiter zu verfolgen und dafür Millionen von Euro auszugeben, die dann im Sozialbereich fehlen.

Rohe Bürgerlichkeit und soziale Vereisung

Betrachtungen zum Gemeinderatsantrag für einen Zivileinsatz der Linzer Stadtwache gegen BettlerInnen

Seit 2001 untersuchen WissenschaftlerInnen aus Deutschland in einer Langzeitstudie mit dem Namen Deutsche Zustände die Ausmaße, Entwicklungen und Ursachen von Vorurteilen. Das Ergebnis ihrer Forschung sehen sie in einer bedenklichen Zunahme „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ und in einem „kulturlosen und verrohenden Bürgertum“.

Auszug aus dem Dringlichkeitsantrag der ÖVP bei der Gemeinderatssitzung am 23.5.2013

Auszug aus dem Dringlichkeitsantrag der ÖVP bei der Gemeinderatssitzung am 23.5.2013


Der Dringlichkeitsantrag der ÖVP bei der Linzer Gemeinderatssitzung am 23.Mai 2013 hat diese Analyse leider einmal mehr bestätigt. Die Linzer Schwarzen forderten Bürgermeister Dobusch auf seine Weisung zurückzunehmen und Stadtwache-Operationen ohne Uniform wieder zu erlauben. (siehe Faksimile rechts) Zielgruppe dieser Zivilkontrollen sollten die BettlerInnen vornehmlich aus Südosteuropa sein. Der Linzer Gemeinderat lehnte die Forderung der ÖVP jedoch mit einer Mehrheit aus SPÖ, Grüne und KPÖ ab. Die SPÖ argumentierte damit, dass es nie einen Auftrag für Observationen in Zivil gegeben hat und die Uniformen einen festen Bestandteil der Stadtwsche darstellen. Grüne und KPÖ sind ohnehin gegen die Stadtwache, ihre Ablehnung war deshalb vorhersehbar.

Populistischer Wettlauf mit der FPÖ

Bezeichnend an solchen Debatten, die sich um das Thema Kriminalität, Innere Sicherheit und Migration drehen, ist die Rolle der Linzer Stadtbürgerlichen. Seit der letzten Gemeinderatswahl im Jahr 2009 findet anscheinend eine Auseinandersetzung mit der Rechtsaußenpartei FPÖ um die Themenführerschaft auf diesem Gebiet statt. Die Argumentationsmuster und Statements unterscheiden sich kaum mehr. Es findet ein erschreckender Populismus-Wettstreit zwischen den beiden Parteien statt. Wer versucht dieser autoritären Mischung aus Kontrollieren, Vertreiben und Strafen mit kritischen Argumenten zu begegnen, bekommt von FPÖ wie auch ÖVP nur aggressive Selbstgewissheit zu spüren. Nach dem Motto: Je kühler und unmenschlicher die Forderungen, umso forscher und herablassender das Eintreten. Eine rationale, sachliche Diskussion auch über die negativen Folgen einer solchen Sichtweise geht im emotionalen Eifer unter – so geschehen auch bei der Gemeinderatssitzung am 23. Mai.

Ruf nach repressiven Maßnahmen

Die Konstruktion von Feind- und Drohbildern spielt dabei eine bedeutende Rolle. Menschen aus Süd- und Osteuropa, die hier betteln, sind nicht in erster Linie arm, sondern entweder sie selbst oder die „Hintermänner“ kriminell. Sie werden als „skrupellos“ und „organisiert“ etikettiert. Die Medien unterstützen und reproduzieren diese Bilder. Die Beifügung „Bande“ oder „Mafia“ gehört auch in den Zeitungen zur Normalität. Journalistische Sorgfaltspflicht und Verantwortung, z.B. Behauptungen und Meinungen zu überprüfen und differenzierter zu betrachten, haben keine Chance. Ist ein bestimmtes Bild einmal gezeichnet, fordern Medien dann meist genauso wie die „Law and Order“-Politik Taten. Eine ängstliche Öffentlichkeit will, dass hier und jetzt etwas geschieht. Die Konsequenz daraus: Es darf und kann kein Erbarmen für bestimmte Menschengruppen geben. Und jedeR der/die sich dieser Politik in den Weg stellt, will Böses für die Menschen bzw. zumindest für die Mehrheit, in deren Namen sich in Parteien und Redaktionen gesorgt wird. Genau so funktionieren aber auch moderne Faschismen: In der emotionalen Spaltung und Gegeneinanderführung werden die Ärmsten, Schwächsten und Fremdesten zur Bedrohung hochstilisiert, während eine solche Form der Herrschaft im Namen der „Guten“ aus dem „einfachen Volk“ spricht. Wer da nicht mitmacht und kritische Fragen stellt, ist gegen „das Volk“, für Kriminalität oder lässt sie zumindest zu – ist also tatenlos, naiv und schwach.

Zerstörerische Wirkungen für eine humane und tolerante Gesellschaft

Die MacherInnen der Studie „Deutsche Zustände“ stellen fest, dass vor allem die mittleren bis höheren Schichten der Gesellschaft in Zeiten der Verunsicherung die Solidarität mit den unteren Klassen aufkündigen und auf Ellbogenmentalität umschalten; dass also die bisherige tolerante Bürgerlichkeit durch eine „rohe“ ersetzt wird:

„Diese rohe Bürgerlichkeit lässt sich in ihrer Selbstgewissheit nicht stören: Die Würde bestimmter Menschen und die Gleichwertigkeit von Gruppen sind antastbar.“

Und sie kommen zum besorgniserregenden Schluss:

„Eine auf längere Sicht zerstörerische Entwicklung sowohl für Individuen als auch für eine liberale und humane Gesellschaft ist dann gegeben, wenn sich menschenfeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen [ … ] Menschenfeindlichkeit wird erkennbar in der Betonung von Ungleichwertigkeit und der Verletzung von Integrität.“

Kultur der Solidarität statt der Kontrolle

Die populistischen Forderungen nach mehr Kontrolle und die Betonung der Ungleichheit findet vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Individualisierung der Gesellschaft statt. Der Kriminalitäts- und Sicherheitsdiskurs zeigt anschaulich diese Entwicklung, in dem sowohl die Beschreibungen und Erklärungen der Opfer- als auch die der Täterseite individualisiert werden. Bei den Tätern wird nicht nach den möglichen Ursachen noch nach Möglichkeiten einer Beseitigung oder Veränderung gefragt, sondern Kriminalität wird allein zur individuellen Entscheidung für das Unrecht und gegen das Recht erklärt. Aber auch die Identifizierung mit dem Opfer und die Forderung nach harten Vergeltungs- und Strafmaßnahmen folgt einer weitgehend individualisierten Sicht. Solidarität, Austausch und kollektive moralische Empörung funktionieren in einer hochgradig mobilen, individualisierten und entsolidarisierten Gesellschaft viel zu oft nur mehr über die individuelle Identifikation mit individuellen Schicksalen. Das Leiden des Kriminalitätsopfers steht sinnbildlich dafür. Die instrumentalisierenden und inhumanen Diskurse der Rechten und zum Großteil auch der Medien stellen zumindest das Gefühl der Gemeinsamkeit auf Kosten der Freiheit, Solidarität und Menschenrechte wieder her. Diese für Gesellschaften elementaren Werte hingegen zu schützen und zu verteidigen, sowie Möglichkeiten einer gemeinsamen, wechselseitigen und menschenwürdigen Kommunikation über den emotionalen Affekt hinaus zu schaffen, ist die andere – unsere – Antwort.

Trotz Charmeoffensive und Aschenbecher: Kritik bleibt!

Im Sommerloch haben die Medien wieder einmal den Dauerbrenner Linzer „Stadtwache“ entdeckt.
In der regionalen Wochenzeitung „Tips“ wird der persönlichen Sicht der Stadtwache-MitarbeiterInnen über ihren Berufsalltag eine Seite Platz eingeräumt. Außerdem hat sich der zuständige Stadtrat für die Stadtwache, Detlef Wimmer (FP), Gratis-Mini-Aschenbecher ausgedacht, welche die Stadtwache bei ihren Rundgängen durch das Stadtgebiet verteilen darf. Das ist zwar alles recht nett, nur macht es unsere Kritik an diesem Organ trotzdem nicht obsolet.
Wir Stadtwache-GegnerInnen haben immer versucht unsere Kritik und Ablehnung politisch zu formulieren. Wir sind überzeugt, dass es auch bei den MitarbeiterInnen der Stadtwache vernünftige und besonnene Menschen gibt, die ihre Arbeit nicht in „Rambo-Manier“ ausüben – wahrscheinlich in größerer Verantwortung, als so mancher in der Politik. Aber das kann nicht über die Entstehungsgeschichte und den vorgetragenen Argumenten der Stadtwache-BefürworterInnen hinwegtäuschen. Die Einführung der Stadtwache wurde zuerst im Wahlkampf 2009 gefordert, bei dem einseitig Ängste und Verunsicherung geschürt wurden. Nach der Wahl wurde dann die Stadtwache von den Parteien SP, VP und FP im September 2010 eingeführt und kostet nun jährlich 1,3 Millionen Euro. Aus machtpolitischen Erwägungen wurde einen als rechtsextrem einzustufenden Politiker die Agenden über die Stadtwache gegeben. Und nicht zuletzt fordern regelmäßig PolitikerInnen von einer bestimmten Seite weitere Verschärfungen von Sicherheits- und Ordnungsgesetzen und Kompetenzausweitungen für die Stadtwache, die einer kommunalen Ersatzpolizei gleichkommen. (Nur nebenbei bemerkt: Manche Stadtwache-MitarbeiterInnen sehen eine solche Ausweitung der Kompetenzen durchaus auch kritisch.)
Um es nochmal festzustellen: Es geht darum wie der öffentliche Raum etwa in einer Stadt gestaltet wird. Setzt man etwa auf Verbote, Ausschluss, Überwachung und Sanktionen, kann sich eine solche „Law&Order“-Politik das Sauberkeits- und Ordnungsmäntelchen umhängen. Eine solche Politik löst Probleme aber nur zum Schein und mit gefährlichen Nebenwirkungen: Nach einer kurzfristigen Linderung muss die Dosis weiter erhöht werden. Die „Law&Order“-Spirale dreht sich. Diese Politik erfindet sich immer neu, definiert sich als stark und handlungsmächtig, und beweist damit nur das Gegenteil: Nämlich die Unfähigkeit das Leben und Zusammenleben der Menschen auf eine friedliche, soziale und demokratische Art sicherstellen zu wollen!

„Sicherheitsratgeber 2012“: Das Geschäft mit der Angst

„Hundstrümmerl-Force“-Stadtrat Wimmer (FP) hat nachgezogen und nun auch einen Ratgeber herausgebracht. Die Stadt Linz finanziert ihm eine 96-seitige Broschüre in 5000-facher Auflage, die in vielen städtischen Einrichtungen gratis aufliegt. Laut Eigenangabe geben im sog. Sicherheitsratgeber 2012 Polizei, Feuerwehr und Verkehrskuratorium wertvolle Tipps, wie man sich vor vermeintlichen und wirklichen Unsicherheiten schützen kann. Eine erste Begutachtung durch Thomas Diesenreiter hat folgendes ergeben:

Da steht viel harmloses drin (Brandschutztipps), viel doofes (“Das Internet ist grundsätzlich nicht gefährlich!”), viel sexistisches (Frauen sollen in der Nacht nur mit dem Auto heimfahren), ein bisserl was über die Stadtwache (“… geben Touristen Auskunft, wie sie auf den Pöstlingberg kommen”… – wow!) und im ganzen ist sie zugepflastert mit Werbung. Da geht natürlich vieles Hand in Hand – es wird Angst geschürt – “Trauen sie keinem Fremden!” und passend auf der anderen Seite Werbung für Sicherheitsschlösser gemacht.

Die Grenzen zwischen einer „Law-and-Order-Politik“ und einer florierenden Sicherheitsindustrie verschwimmen wieder einmal und es stellt sich eine beiderseitige Win-Win-Situation beim Schüren von Ängsten und Unsicherheiten ein. In Wimmers „Sicherheitsbroschüre“ wird vom redaktionellen Teil fast nicht unterscheidbar für eine Sicherheitsfirma Werbung gemacht. Thomas Diesenreiter hat daher eine Anzeige gegen den Herausgeber eingebracht. Hier mehr dazu

Viel hilfreicher und sinnvoller für die Menschen in dieser Stadt ist da wohl dann doch unser Ratgeber zur Stadtwache!

Neues vom blauen Pefferspray-Stadtrat

Kommentar von Christian Ortner in der Zeitung Österreich, OÖ&Linz-Teil, vom 8.11.2011:

„Der Chef der Linzer FPÖ, Detlef Wimmer, macht wieder als ungewollt komischer Law-and-Order Rabauke von sich reden: Weil ein Kontrollor am Wochenende in der Bim attakiert wurde, will er Securitys mit Pfefferspray ausrüsten. Trotz des bedauerlichen Vorfalls: Laut offiziellen Polizeidaten sind die Übergriffe in Straßenbahnen seit drei Jahren rückläufig. FLüchtende, weil ohne Ticket erwischte Bim-Fahrer mit Pfefferspray zu attackieren, wäre rechtswidrig. Und was in einer voll besetzten Bim los wäre, wenn Kontrollore Pfefferspray versprühen, sollte sich sogar Wimmer vorstellen können. Dass sich dieser Mann Sicherheitsstadtrat nennen darf, ist ein Skandal.“

Dem können wir uns nur anschließen.