How low can you go?

Trotz oder gerade wegen des Sparkurses der Linzer Stadtpolitik sucht Stadtrat Wimmer verzweifelt nach neuen Aufgaben für seine Stadtwache. Bettelnde Menschen aus Osteuropa sind dabei immer wieder im Visier seiner Law&Order-Manie. Dabei kommen ihm Berichte in kaum zu überbietender Dreistigkeit und journalistischer Verantwortungslosigkeit, wie dieser von der Kronen-Zeitung vom 22.1.2014, sehr gelegen. Ganz im Sinne des Rechtsaußen-Politikers: Hintergründe null, Recherche null, Zusammenhang null, aber dafür Verallgemeinerung 100%!

Grün-Gemeinderat und Stadtwache-Kritiker Markus Pühringer hat daraufhin der Kronen-Zeitung einen Leserbrief geschickt:

Sehr geehrte Damen und Herren von der Kronenzeitung,
Sie schreiben in Ihrer heutigen Ausgabe, dass die in Linz bettelnden Menschen ihr Geld an „Hinter-Männer“ abliefern müssten und die „Bettelmafia in Prunk, Pomp und Reichtum“ leben würde. Diese Behauptung können Sie im Artikel an keiner Stelle belegen. Es scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die immer wieder beschworene Bettelmafia scheint es nicht zu geben. Im Oktober 2013 wurde zuletzt eine Studie über das Betteln in Salzburg veröffentlicht. Demnach gäbe es laut Studienautor Walter Schoibl „keine Indizien für eine Bettelmafia“. Die festgestellten Organisationsformen seien eher „familiärer oder nachbarschaftlicher Art“ und beträfen beispielsweise die gemeinsame Anreise, Unterbringung oder Verpflegung. Demnach konnte man auch keine Indizien für die immer wieder behauptete Existenz „reicher Hintermänner“ finden. Auch ähnliche Studien aus Wien und Graz kommen zum gleichen Ergebnis.
Der Grund, warum Menschen aus Osteuropa in vergleichsweise reiche Länder wie Österreich kommen, liegt vielmehr an der tristen Lage in ihren Heimatländern: Armut, keine Aussicht auf eine Arbeit, katastrophale hygienische Verhältnisse, Diskriminierung im Heimatland, usw. Die Not scheint so groß zu sein, dass diese Menschen keine andere Möglichkeit mehr sehen, als in Städten wie Linz oder Salzburg betteln zu gehen.Ich ersuche Sie eindringlich um korrekte Berichterstattung. Mit ebensolchen Berichten schüren sie Vorurteile, Rassismus und verfestigen schon bestehende Feindbilder gegen Roma.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Pühringer
Gemeinderat der Grünen Linz

„Linz soll gefährlicher sein als Chicago“

Interview im Online-Standard

Seit gut zwei Jahren gehört der Linzer Ordnungsdienst zum Stadtbild der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Die mit Handys und Kameras ausgestatteten Frauen und Männer sollen laut Informationsfolder auf Straßen und öffentlichen Anlagen für „Sauberkeit“ und eine „bessere Lebensqualität“ sorgen.

Die Stadtwache steht unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Franz Dobusch (SPÖ), geleitet wird sie vom Stadtrat für Sicherheit und Ordnung, Detlef Wimmer (FPÖ). Seit ihrem Entstehen ruft sie auch Kritiker wie Michael Schmida auf den Plan. Die von ihm und anderen Gegnern der Wache Anfang 2010 gegründete Bürgerinitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ spricht sich gegen einen Ordnungsdienst aus. Im Gespräch mit daStandard.at erklärt er die Hintergründe seiner Ablehnung.

Das ganze Interview

Stadtwache Linz schikaniert Bettler – und die Polizei spielt mit!

Nachtrag zum Bettelverbot und der Bestätigung durch den VfGH: Die Zeitung der KUPF OÖ berichtet in der Rubrik „Gnackwatschn“ über einen skandalösen Zwischenfall in Linz:

Am 10. Juli wurden zwei rumänische Jugendliche am Linzer Schillerplatz von der Stadtwache angehalten. Der eine, Mihai, 14 Jahre alt und der andere, Bobi, gerade einmal 18. Ihr Vergehen: Sie haben gebettelt. Nicht aggressiv, sondern ruhig und höflich. Da Mihai aber minderjährig ist, wurde dem 18-jähigen Bobi vorgeworfen, beim Betteln „eine unmündige Person mitgeführt“ zu haben. Etwas, das nach der Bettelverordnung des Landes Oberösterreich (angeblich) verboten ist.
Die „Organe des Ordnungsdienstes“ nahmen den beiden Jugendlichen ihre Barschaft ab und tätigten einen Anruf bei der Bundespolizeidirektion. Diese verfasste nach den Angaben der Stadtwächter (ohne eigene Prüfung) eine Strafverfügung und schickte einen Beamten damit los, um sie dem straffällig gewordenen 18-jährigen auszuhändigen. 100 Euro oder 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe. Dass Bobi kein Wort Deutsch spricht und gar nicht weiß wie ihm geschieht, stört nicht.
Der ganze Ablauf dauerte nicht länger als 40 Minuten. Sehr effizient, nur wurde übersehen, dass es eine völlige Fehlentscheidung war. Im Oberösterreichischen Polizeistrafgesetz heißt es nämlich: „Wer in aufdringlicher oder aggressiver Weise, wie durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort bettelt (…) begeht eine Verwaltungsübertretung.“ (§1a. Abs.1).
Es ist also nur „aggressives“ Betteln verboten. Das Recht auf Betteln ist durch die europäische Menschenrechtskonvention geschützt (Artikel 8). Dies stellte auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Entscheid vom 30. 6. 2012 klar.
Konkret wurde Bobi ein Verstoß gegen § 1a Abs.3 vorgeworfen: „Wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln im Sinn des Abs. 1, in welcher Form auch immer, mitführt, begeht eine Verwaltungsübertretung.“
Ergo: Das Mitführen „unmündiger, minderjähriger Personen“ ist nur dann verboten, wenn so gebettelt wird wie in Absatz 1 beschrieben – also mittels anfassen, beschimpfen usw.
Das hätte Bobi in einem Einspruch vorbringen können. Wenn er des Deutschen mächtig gewesen wäre und Zugang zu Rechtstexten gehabt hätte. Er wählte aber die für ihn einzig mögliche Variante, sich der Strafe zu entziehen – er tauchte unter.
Natürlich gehört dieses Bettelverbot zur Gänze weg, und natürlich gehören alle Verantwortlichen, von Stadtrat Wimmer bis Bürgermeister Dobusch, durch Sonne und Mond gewatscht. Aber bis es soweit ist, sollten die bestehenden Einspruchsmöglichkeiten genutzt werden. Dem Vernehmen nach schreiben die Leute von Radio FRO (Kirchengasse 4) für Betroffene gerne Einsprüche.

Bettellobby OÖ: Weiter gegen jede Form von Bettelverboten

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Landesgesetz bestätigt, welches bestimmte Formen des Bettelns unter Strafe stellt und kommunale Aufsichtsorgane (=Stadtwache) mit der Überwachung betraut. Die Bettellobby OÖ hat dazu Stellung genommen. Wir Stadtwache-KritikerInnen können sich dieser Stellungnahme nur anschließen: Die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Formen des Bettelns erweist sich in der Praxis als äußerst schwierig, zumal die Stadtwache-MitarbeiterInnen immer wieder Zurufe (=Aufforderungen) aus der Politik erhalten, BettlerInnen zu signalisieren sie seien in Linz per se unerwünscht.

Statement der Bettellobby OÖ

Zirka die Hälfte aller befragten LinzerInnen will keine Stadtwache!

BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ sieht sich durch
„BürgerInnenbefragung 2011“ bestätigt.

Wie die nun veröffentlichte Linzer BürgerInnenbefraung 2011 (PDF, 842 kB) belegt, ist die Ablehnung zur Stadtwache nahezu gleich groß wie die Zustimmung. Angesichts der Unterstützung und Werbung durch die drei größten Gemeinderatsparteien sind die Akzeptanzwerte mehr als dürftig. Wobei die Fragen ohne die Kosten dieser Einrichtung bewusst zu machen gestellt wurden. Konkret halten 45% der befragten LinzerInnen die Einführung der Stadtwache für eine schlechte Entscheidung, sogar 47% die Stadtwache für überflüssig. Effekte auf Sicherheit (19%) und Sauberkeit&Ordnung (22%) sehen nur sehr wenige.

„Seit der Einführung der Stadtwache wird die Zustimmung immer geringer. Wenn der Trend anhält, dauert es nicht mehr lange, bis eine Mehrheit der Linzer Bevölkerung die Stadtwache ablehnt.“ sagt Michael Schmida, von der BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“.
„Die Ergebnisse sind auch ein deutliches Signal für unsere überparteiliche BürgerInneninitiative, die ca. die Hälfte der LinzerInnen in dieser Frage vertritt.“

Die BürgerInneninitiative wird ihre Arbeit auch im Jahr 2012 fortsetzen. Aktivitäten sind etwa kritisches Monitoring durch die Meldestelle oder Aufklärungsarbeit mit einer eigenen Ratgeberbroschüre. „Unser Ziel ist es, dieses sinnlose, teure und teilweise gefährliche Projekt mit dem Namen ‚Stadtwache‘ zu beenden!“

Weiters meint Schmida: „Wo wirklich politische Handlungsnotwendigkeit besteht, sieht man bei der an den Stadtwache-Abschnitt gleich anschließenden Fragestellung über die zukünftigen Lebensbedingungen in Linz: Da schätzt nämlich schon ein Drittel ein, dass sich diese in den nächsten drei Jahren verschlechtern werden. Dagegen hilft aber in keiner Weise eine Stadtwache und Law&Order-Politik – ganz im Gegenteil! Der größte Unsicherheitsfaktor ist Ungleichheit. Und die wird von den gleichen PolitikerInnen welche für die Stadtwache sind seit Jahrzehnten gefördert.“

Mehr: Blog von Thomas Diesenreiter: Bald Mehrheit gegen Stadtwache!