Zirka die Hälfte aller befragten LinzerInnen will keine Stadtwache!

BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ sieht sich durch
„BürgerInnenbefragung 2011“ bestätigt.

Wie die nun veröffentlichte Linzer BürgerInnenbefraung 2011 (PDF, 842 kB) belegt, ist die Ablehnung zur Stadtwache nahezu gleich groß wie die Zustimmung. Angesichts der Unterstützung und Werbung durch die drei größten Gemeinderatsparteien sind die Akzeptanzwerte mehr als dürftig. Wobei die Fragen ohne die Kosten dieser Einrichtung bewusst zu machen gestellt wurden. Konkret halten 45% der befragten LinzerInnen die Einführung der Stadtwache für eine schlechte Entscheidung, sogar 47% die Stadtwache für überflüssig. Effekte auf Sicherheit (19%) und Sauberkeit&Ordnung (22%) sehen nur sehr wenige.

„Seit der Einführung der Stadtwache wird die Zustimmung immer geringer. Wenn der Trend anhält, dauert es nicht mehr lange, bis eine Mehrheit der Linzer Bevölkerung die Stadtwache ablehnt.“ sagt Michael Schmida, von der BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“.
„Die Ergebnisse sind auch ein deutliches Signal für unsere überparteiliche BürgerInneninitiative, die ca. die Hälfte der LinzerInnen in dieser Frage vertritt.“

Die BürgerInneninitiative wird ihre Arbeit auch im Jahr 2012 fortsetzen. Aktivitäten sind etwa kritisches Monitoring durch die Meldestelle oder Aufklärungsarbeit mit einer eigenen Ratgeberbroschüre. „Unser Ziel ist es, dieses sinnlose, teure und teilweise gefährliche Projekt mit dem Namen ‚Stadtwache‘ zu beenden!“

Weiters meint Schmida: „Wo wirklich politische Handlungsnotwendigkeit besteht, sieht man bei der an den Stadtwache-Abschnitt gleich anschließenden Fragestellung über die zukünftigen Lebensbedingungen in Linz: Da schätzt nämlich schon ein Drittel ein, dass sich diese in den nächsten drei Jahren verschlechtern werden. Dagegen hilft aber in keiner Weise eine Stadtwache und Law&Order-Politik – ganz im Gegenteil! Der größte Unsicherheitsfaktor ist Ungleichheit. Und die wird von den gleichen PolitikerInnen welche für die Stadtwache sind seit Jahrzehnten gefördert.“

Mehr: Blog von Thomas Diesenreiter: Bald Mehrheit gegen Stadtwache!

Zwei Vorfälle mit der Stadtwache

Die BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ hat mit der Einführung der Stadtwache eine Meldestelle eingerichtet. Wir haben bereits über negative Zwischenfälle in der Vergangenheit berichtet. Hier nun auszugsweise zwei weitere Vorfälle die uns in letzter Zeit erreichten:

Wann 23. Juli 2011
Wo Nibelungen Brücke
Wer war beteiligt 2 Freunde und ich
Was ist geschehen Wir haben um ca. 1:30 die Nibelungen Brücke von der STWST Richtung Hauptplatz überquert. Dabei sind uns ein kleiner Mann und eine größere dickliche Frau vom Ordnungsdienst entgegenkommen. Wir haben uns gewundert, dass die „Ordnungshüter“ um diese Zeit noch unterwegs sind. Da die beiden bereits übelgelaunt waren und hämische Bemerkungen über die Entgegenkommenden aussprachen. Meinten wir in etwas lauterem Ton „Linz braucht keine Stadtwache.“ Worauf hin wir beschimpft wurden, unter anderem mit dem Wort „Bazillen“.

Eine weitere Meldung die uns erreichte fällt mehr unter die Rubrik „mangelnde Zivilcourage“. Die selbst auferlegte Aufgabe „Vermeidung strafbarer Handlungen durch Anwesenheit“ scheint die Stadtwache jedenfalls nicht zu erfüllen!

Wann 9. August 2011 – Taubenmarkt 14 Uhr
Wo Buslinie 27 Richtung Schiffswerft
Wer war beteiligt 2 Frauen und 2 Männer ca 20 Jahre alt
Was ist geschehen Wir sind am Taubenmarkt eingestiegen und setzten uns auf einen freien Platz wobei meine Freundin neben einen „primitiv-gefährlichen“ Burschen zu sitzen kam. Er hatte sein McDonalds Sackerl noch am Nebensitz stehen und er schrie sie an, sie soll sich nicht auf das Essen setzen – was natürlich nicht geschehen ist. Darauf hin hat er sie noch einen „blöden Trampel“ genannt und sie werde gleich eine abfangen, wenn sie noch mal so deppert schaut. Sein Freund meinte, dass sie eine „schiache Alte“ sei, was will „mann“ da erwarten. Der andere meinte noch es braucht sich keiner wundern wenn er in der nächsten Zeit einmal einen „Haberer“ oder eine so „depperte Alte“ niederschlagen werde.
Was wir zunächst nicht sahen, saßen zwei Personen der Linzer Stadtwache hinter uns. Müssen die nicht einschreiten wenn solche Vorfälle sind? Es haben alle Personen im Bus geschaut wie dieser Bursch zu schreien und schimpfen anfing. Ich sagte meiner Freundin sie solle bitte nichts erwidern, denn man weiß bei solchen Personen nicht wie sie reagieren. Ich hatte Angst.
Doch dann stieg die Stadwache in der Lüfteneggerstraße aus ohne irgendetwas gemacht zu haben. Also dieser Aufwand diese Leute einzuschulen und zu bezahlen ist ein Luxus
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Ein Jahr Stadtwache – Antrag auf Auflösung im Linzer Gemeinderat

Für die Gemeinderatssitzung am 15. September 2011 haben Grüne und KPÖ auf Betreiben der BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ einen gemeinsamen Antrag für die Auflösung der Linzer Stadtwache eingebracht. Der Wortlaut des Antrages:

Im September vorigen Jahres haben 18 MitarbeiterInnen der „Ordnungsdienst der Stadt Linz GmbH“ ihren Dienst auf der Straße begonnen. Sie sollten für mehr Ordnung und Sauberkeit in der Stadt Linz sorgen und das subjektive Sicherheitsgefühl heben.

Für die Antrag stellenden Parteien war von Beginn an nicht nachvollziehbar, warum eine so sichere Stadt wie Linz einen Ordnungsdienst (vulgo Stadtwache) benötigt.

So stellt die „Kriminologische Sicherheitsanalyse Linz 2007“ des Zentrums für Rechtspsychologie und Kriminologie der Uni Linz fest: „Im Städtevergleich verfügt Linz über ein hohes Sicherheitsgefühl und eine geringe Kriminalitätsfurcht“

Auch die damalige Innenministerin Maria Fekter (VP) bescheinigte Linz, die sicherste Landeshauptstadt Österreichs zu sein.

Wir sehen uns ein Jahr nach Einführung des Ordnungsdienstes in unserer Kritik bestätigt: Die Stadt Linz braucht nicht ein Kontrollorgan wie den Ordnungsdienst. Auftauchenden Unsicherheiten und Konflikten ist durch kreative Konflikt- und Stadtteilarbeit zu begegnen.

Antrag gem. §12 Abs.1 StL. 1992:

Der Gemeinderat beschließe daher:
„1. Der Ordnungsdienst der Stadt Linz wird – so rasch wie möglich – aufgelöst.
2. Für die MitarbeiterInnen des Ordnungsdienstes der Stadt Linz wird ein Sozialplan erstellt.
3. Die frei werdenden Mittel werden zur Verstärkung von Streetwork und Stadtteilarbeit verwendet.“

Medienspiegel: Ein Jahr Stadtwache

Zu ein Jahr Stadtwache gab die BürgerInneninitiative am 29.8.2011 eine Pressekonferenz. Hier die Resonanz in den Medien:

29.08.2011 – Life Radio – Linzer Stadtwache gefährlich und sinnlos?

29.08.2011 – ooe.kpoe.at – BürgerInneninitiative bekräftigt Ablehnung der Stadtwache

Thumbnail Zeitung30.08.2011 – Zeitung Österreich – Rüffel für die Stadtwache

30.08.2011 – OÖN – Grüne wollen Linzer Stadtwache auflösen

30.08.2011 – OÖN – „Das Sicherheitsgefühl ist gestiegen“

30.08.2011 – Radio FRO – Ein Jahr Stadtwache aus kritischer Sicht: Ein Interview mit Michael Schmida

30.08.2011 – ooe.orf.at – Grüne und KPÖ gegen Linzer Ordnungsdienst

31.08.2011 – Tips – Weiter Wirbel um Stadtwache

31.08.2011 – LT1 TV – 1 Jahr Linzer Stadtwache: Parallelpolizei oder Ordnungshüter?

31.08.2011 – Linzer Rundschau – Grüne und KPÖ gegen Stadtwache

Bettelverbot: Was die Stadtwache darf und was nicht

Das Bettelverbot und die Stadtwache

Die Kompetenzen der Stadtwache gehen eigentlich nicht über jene „normaler“ BürgerInnen hinaus. Sie dürfen ermahnen, anzeigen und bei einer Straftat ertappte Personen festhalten. Das Bettelverbot schafft aber eine neue Situation. Seit Juli 2011 ist „organisiertes“ und „aufdringliches“ Betteln in OÖ verboten. Die Stadtwache exekutiert dieses Gesetz. Für diesen einen Aufgabenbereich erweitern sich die Befugnisse des Ordnungsdienstes gravierend.

Grundsätzlich darf die Stadtwache in Fällen von „organisierter“ oder „aufdringlicher“ Bettelei nach dem OÖ. Polizeistrafgesetz:

  • Anhalten zur Feststellung der Identität einer Person
  • Ermahnungen aussprechen
  • Geld und Gegenstände beschlagnahmen
  • Festnehmen

Diese auf den ersten Blick umfassenden Befugnisse dürfen von den MitarbeiterInnen der Stadtwache jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden:

Ermahnungen können nur ausgesprochen werden, wenn eine geringfügige Verwaltungsübertretung bereits begangen wurde und die Ermahnung erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Beschlagnahme ist nur bei „Gefahr im Verzug“ und nur bei Gegenständen zulässig, für die gesetzlich der „Verfall“ als Strafe vorgesehen ist, also Geld und Gegenstände, die durch unerlaubte Bettelei erworben wurden. „Gefahr im Verzug“ ist nur dann gegeben, wenn für den Fall der Nichtbeschlagnahme die Fortsetzung der strafbaren Handlung wahrscheinlich ist. Oder wenn verhindert werden soll, dass Gegenstände, für die der Verfall als Strafe vorgesehen ist, dem Zugriff der Behörde entzogen werden sollen. Wenn überhaupt dürfen also nur das erbettelte Geld oder erbettelte Gegenstände beschlagnahmt werden. Über die beschlagnahmten Gegenstände ist dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen.

Eine Festnahme durch die Stadtwache ist nur dann zulässig, wenn

  • die Polizei nicht rasch genug einschreiten kann
  • jemand auf frischer Tat ertappt wird und unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist
  • wenn der Verdacht besteht, dass sich die Person der Strafverfolgung zu entziehen sucht oder trotz Abmahnung einfach mit der strafbaren Handlung weitermacht

Wer sich also ausweisen kann oder nach Abmahnung das „aufdringliche Betteln“ einstellt, kann nicht festgenommen werden.

Organstrafverfügungen darf die Stadtwache nicht ausstellen, da diese im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion (wie in Linz der Fall) nur von dieser selbst verhängt werden dürfen.

Ein Einschreiten im Rahmen des Bettelverbots bringt aber auch Pflichten mit sich:

  • Bedienstete des Ordnungsdienstes müssen Dienstabzeichen und Dienstausweis mit sich führen und auf Verlangen vorweisen. Ein Register mit Name, Dienstnummer, Dienstantrittsdatum und Befugnissen liegt beim Magistrat auf und ist für alle BürgerInnen einsehbar.

Darüber hinaus werden die MitarbeiterInnen der Stadtwache bei der Durchsetzung des Bettelverbots zu BeamtInnen im Sinne des Strafgesetzbuches. So gilt eine Körperverletzung an ihnen automatisch als „schwere Körperverletzung“. Sie unterliegen aber auch der Amtsverschwiegenheit und können wegen Amtsmissbrauch oder Geschenkannahme belangt werden. Außerdem sind sie verpflichtet das OÖ Antidiskriminierungsgesetz einzuhalten. Jedes diskriminierende Verhalten bezüglich ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung wie z.B. abfällige Bemerkungen, Beschimpfungen, Gesten usw. sind von Seiten des Ordnungsdienstes zu unterlassen. Ansonsten kann gerichtlich auf Schadenersatz geklagt werden.

All diese Rechte und Pflichten gelten aber ausschließlich bei einem Einschreiten nach dem Bettelverbot, bei allen anderen Aufgaben haben die Bediensteten der Stadtwache nicht mehr Kompetenzen als „normale“ BürgerInnen auch.

Dieser Text wurde von Giro und Christopher Frank geschrieben.