Die Sicherheit, die sie meinen

Stadtwachen erfinden sich stets selbst aufs Neue.

Von Franz Fend.

Im steirischen Fürstenfeld wird eine 17-jährige junge Frau nächst einer Disko vergewaltigt. Kurze Zeit später wird der Hauptverdächtige verhaftet. Es handelt sich um einen Türsteher der nämlichen Disko. In Ingolstadt wird ein junger Mann zu 15 Monaten Haft verurteilt. Er hatte während seines Dienstes als Türsteher einer Disko einen Gast mit Faustschlägen, Fußtritten und Schlagstockhieben schwer verletzt. Selbst als das Opfer bewegungsunfähig auf dem Boden lag, ließ der Türsteher nicht von ihm ab. Der Täter gab bei Gericht an, nur seinen Dienst versehen zu haben. In Oldenburg verweigerte der Türsteher einer Disko einem Besucher mit dunkler Hautfarbe den Eintritt in das Lokal. Als dieser den Türsteher als das bezeichnete, was er war, nämlich als Rassisten, schlug er ihn nieder und verletzte ihn schwer. Das sind nur ganz wenige Beispiele, auch hierorts häufen sich die Meldungen über das Sicherheitspersonal. Wir kennen diese ungustiösen Schlagzeilen zur Genüge. Sie werfen ein bezeichnendes Bild auf die Akteure eines Gewerbes und sie können mit Gewissheit nicht als Ausnahmefälle bezeichnet werden, vielmehr als Typisierung all jener, die die Drecksarbeit im so genannten Security-Geschäft machen, egal ob diese von Disko-Besitzern angeheuert werden oder direkt Angestellte von Security-Firmen sind. Es ist nicht verwunderlich, dass sich diese Typen gleichen wie die Eier. Und man kann, ohne über großartige seherische Fähigkeiten zu verfügen, schon jetzt mit Fug und Recht prognostizieren, auch das Personal der kommenden Stadtwache wird sich aus solchen autoritären Charakteren zusammen setzen. Seien es jene, welche die Befehle ausführen, die sie erhalten und jene, die sie erteilen auf politischer Ebene.

Soziale Segmentierung

Worum es bei der künftigen Stadtwache gehen soll, das haben die politischen Akteure bereits im Wahlkampf kundgetan. Die Soziologen nennen es die Stratifizierung des öffentlichen Raums, was die Aufteilung der Stadt nach sozialen Schichten meint. Andere Wissenschafter und Urbanitätsforscher nennen es das Ausschließen gewisser sozialer Schichten aus unterschiedlichen städtischen Zusammenhängen. Als Werkzeug für diese Ausschlüsse wird das so genannte subjektive Sicherheitsempfinden herangezogen. Vizebürgermeister Erich Watzl (ÖVP) bediente dieses Werkzeug in seinen Wahlkampf (wir erinnern uns an die Plakate mit Messern und Spritzen) perfekt. In der Unterlage zu seiner Verunsicherungs-Kampagne hatte Watzl schon Klartext gesprochen. Seines Erachtens seien unter anderem folgende Faktoren für ein schwindendes Sicherheitsgefühl in der Stadt ausschlaggebend: eine »hohe Quote an Sozialfällen, eine geringe Eigentumsquote an Wohnraum und ein hoher Migrantenanteil“. Übersetzt bedeutet das, dass jene, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, die Armen also, für eine geringe Sicherheit verantwortlich sind. MigrantInnen mussten ohnehin schon immer als Sündenbock für dies und jenes herhalten, jetzt werden sie per Stadtpolitik als Sicherheitsrisiko eingestuft. Ja selbst jene, die sich keine Eigentumswohnung oder ein Haus leisten können oder wollen, und daher in Mietwohnungen leben, gelten per Watzl-Definition als Sicherheitsrisiko. Also ist die Mehrheit der LinzerInnen ein Sicherheitsrisiko. Das ist neu, aber so klar hat es bis dato noch keiner formuliert.

Der zukünftige Sicherheitsstadtrat Wimmer von der FPÖ bringt auf der Homepage der Stadt Linz ebenfalls zum Ausdruck, was er zu seinem Kerngeschäft zu machen gedenkt. Er werde gegen »Überfremdung, Geburtenrückgang, Inländer-Abwanderung, Mangel an Wohnraum, Billiglohn-Konkurrenz, steigende Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt eine ausufernde Kriminalität« zu Felde ziehen. Abgesehen davon, dass sich die Verantwortlichen die Frage gefallen lassen müssen, was diese rechtsextreme Propaganda auf der Homepage der Stadt Linz verloren hat, bringt es die Aufgabenstellung in seinem Ressort auf den Punkt. Wimmer macht nur allzu deutlich, wen die künftige Stadtwache unter der Fahne der städtischen Sicherheit sekkieren wird. Das Feld der Verdächtigen wurde bei beiden Sicherheitsfanatikern, Watzl wie Wimmer, auf weite Teile der Bevölkerung ausgeweitet. Dass jetzt bereits MieterInnen zu den gefährlichen Subjekten gezählt werden, konnte nur mit medialer Unterstützung funktionieren. Es dürfte gewissermaßen als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen sein. Wenn diese sich nicht wohl verhalten und dem vorherrschenden Sicherheitsgeplärre zustimmen, werden sie die nächsten sein, die ins Visier der Sicherheitskräfte geraten werden.

Lügenstatistiken

Noch funktioniert das Gerede davon, dass man ohnehin nur die Ängste der BürgerInnen ernst nehmen würde, und dass man das legitime Sicherheitsbedürfnis der BürgerInnen respektieren würde. Aber genau diese Ängste und das Sicherheitsgefühl sind keine naturgegebenen Phänomene. Es gibt zahlreiche Beispiele in europäischen aber auch amerikanischen Städten dafür, dass das so genannte subjektive Sicherheitsgefühl erst dann wesentlich zurück gegangen ist, wenn ebendieses in den Medien massiv thematisiert worden ist. Also ist der Begriff Gefahr im Zusammenhang mit einem Stadtteil nicht nur eine höchst subjektive Angelegenheit, sondern auch ein Produkt eines medialen Diskurses. Medien und jene Politiker, welche die Sicherheitspanik darin verbreiten, berufen sich gerne auf die Kriminalstatistiken, die sie selber lancieren. Dabei sind Kriminalitätsstatistiken laut Helge Peters, einem Soziologen und kritischen Kriminologen, nichts anderes als »Tätigkeitsberichte der für die innere Sicherheit zuständigen Instanzen.« Selbst das deutsche Bundeskriminalamt warnt davor, dass Kriminalitätsstatistiken keineswegs eine getreues Abbild der tatsächlichen Entwicklungen seien. Vielmehr hängen sie von der Konjunktur der jeweils vorherrschenden Bedrohungsszenarien und Feindbilder ab. Und, hier beißt sich die Katze in den Schwanz, diese werden von den zuständigen Politikern und deren Zuarbeitern in den Medien bestimmt.

So hat Watzl in seinem degoutanten Wahlkampf diese Spirale in Gang gesetzt. Er verweist auf die »Amtshandlungen« der so genannten Grazer Ordnungswache und die Hauptgründe für deren Einschreiten: So sei Fehlverhalten in Grünanlagen der Hauptgrund für ihr Einschreiten. Wer denkt da nicht sofort an die Kids an der Donaulände und MigrantInnen im Volksgarten. Weitere Einsätze betrafen Alkoholexzesse im öffentlichen Raum, das Einschreiten gegen Straßenmusikanten und Bettler sowie Lärmbelästigungen. Dass hier nicht gegen vorweihnachtliche Punschstände vorgegangen worden ist, sondern gegen Leute, die sich im Supermarkt ihre Getränke holen und in Parks verzehren, liegt auf der Hand. Das Problem ist in Graz dasselbe wie anderswo. So genannte Problemgruppen werden nur zu solchen, wenn sie in den Fleischwolf der medialen Debatte gezerrt worden sind. Und die mediale Debatte beruft sich wiederum auf die Einsätze der Ordnungswache.

Trügerische Gefühle

Wenn hierorts erst eine Stadtwache eingerichtet ist, das kann man schon jetzt mit Gewissheit behaupten, wird sie zum Selbstläufer werden. Sie wird gegen Kids, BettlerInnen und MigrantInnen losgehen. Wenn der politische Verantwortliche den Kampf gegen die »Überfremdung« als seine oberste Priorität sieht, kann das gar nicht anders sein. In ihren Tätigkeitsberichten wird stehen, dass der Großteil der Fälle MigrantInnen, BettlerInnen und Kids betreffen. Die Medien und die Politik werden sich auf diese Zahlen stürzen und das Sicherheitsgefühl wird noch mehr gesunken sein, als dies in den letzten Jahren herbei geschrieben worden ist. So wird Sicherheitspolitik gemacht. Dass allein die Anwesenheit von Security-Personal, egal ob in den Uniformen von Polizei, Group four (die mit der Stadtwache ein riesiges neues Geschäftsfeld kommen sieht) oder der Gemeindestadtwache das Sicherheitsempfinden senkt, ist allein durch die Anwesenheit dieses Personals gewiss. Aber so ist es ja auch immer gedacht gewesen. Wenn das Sicherheitsgefühl am Boden ist, lassen sich repressive Maßnahmen einfach leichter argumentieren und durchsetzen. Und das ist gewiss im Sinne eines Detlef Wimmer, den nicht einmal das Bundesheer, welches ja nicht gerade als Hort des Antifaschismus gilt, in die Offiziersausbildung genommen hat, weil er zu sehr einem rechtsextremen Umfeld entstammt. Aber er sollte sich nicht täuschen, auch die ÖVP hat geglaubt, mit einem Polizeieinsatz gegen die alternative 1. Mai Demo 2009 politisches Kleingeld wechseln zu können. Und der Schuss ist bekanntlich gewaltig nach hinten losgegangen.