350 € pro Bettlerverweis?

Ein Kommentar von Karl Klar zum ersten Monat mit der Stadtwache.

Seit einem Monat soll die Linzer Stadtwache alias Ordnungsdienst nun das subjektive Sicherheitsgefühl der LinzerInnen heben. Ein Sicherheitsgefühl, dass der Stadt Linz viel wert ist, immerhin werden 2.000.000 € im Jahr oder 166.000 € im Monat dafür investiert.

Natürlich bleibt die inhaltliche Kritik bestehen: Die Stadtwache ist und bleibt ein politisches Instrument der Rechten und Konservativen. Mithilfe eines schwammig-geführten Sicherheitsdiskurses werden Minderheiten konstruiert und anschließend attackiert, wird Ausgrenzung praktiziert und legitimiert.

Doch jetzt möchten wir mal spaßeshalber die so beliebten Zahlenspiele der Rechten selbst betreiben. Zur Erinnerung: Detlef Wimmer erzürnte sich in der Causa unseres Projekts „Watchdogwatcher“ ja über die persönliche Bereicherung der AktivistInnen, wenn auch mit falschen Zahlen, siehe „Förderskandal“. Das Land OÖ hatte ja knappe 16.000 € kritischen Projekten zur Stadtwache Linz zugesprochen: die Reaktion der FPÖ kam wenig überraschend: „Steuergeldverschwendung!“ attestierte sie. Und nachdem die so oft beschworene Meinungspluralität im Kulturland Oberösterreich auch nur eine gute Figur am Papier, nicht aber in der Realität macht, wurden die Förderungen flugs wieder zurückgenommen, Jurybeschluss hin oder her.

Nun verweist Detlef Wimmer stolz auf die Zahlen des ersten Einsatzmonats:

162 Müllablagerungen, 122 Service- und Informationsfälle, 95 Fälle der Leinen- und Beißkorbpflicht und 61 Fälle der „illegalen Bettelei“. Mit dem Rest ergibt das stolze 472 Einsätze, nach Adam Riese circa 350 € pro Einsatz.

  • 350 € um die LinzAG anzurufen und eine Entsorgung zu veranlassen.
  • 350 € um zu informieren – gibt’s nicht schon eine Infoline der Stadt Linz?
  • 350 € um Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen, ihre Hunde an die Leine zu nehmen.
  • 350 € um einen Bettler zu vertreiben – eine Monatsmiete für eine GWG-Wohnung.

Wie kann es unserer Gesellschaft wert sein, so viel Geld in Tätigkeiten zu stecken, die jede/r von uns selbst erledigen könnte? Wie kann unsere Gesellschaft auf der einen Seite Sozialeinrichtungen sträflich unterfinanzieren und auf der anderen Seite Millionen € in die zynische Sekiererei notleidender Menschen zu stecken?

Es ist höchste Zeit, die Stadtwache abzuschaffen. Nicht nur aus inhaltlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn die 2.000.000 € wären hundertmal besser in Sozial- und Kulturprojekten investiert. Auch wenn die StadtwächterInnen knuddelig aussehen und bis dato noch keine großen Skandale provozierten, sie stehen für eine rückwärtsgewandte Politik.

Karl Klar trifft zwei StadtwächterInnen, 01.09.2010, 08:05

Pfefferspray olé?

Ein Kommentar von Karl Klar als Reaktion auf die jüngste Berichterstattung, siehe OÖN.

Die Linzer Stadtwache (vulgo Ordnungsdienst) ist bekanntlich nicht bewaffnet, sehr zum Bedauern des FPÖ-Stadtrats Detlef Wimmer. Zuerst wünschte er sich Schlagstöcke für seine Truppe. Als diese nach heftigem Widerstand im Sicherheitsausschuß des Gemeinderats nicht durchsetzbar schienen, machte er sich für den Einsatz von Pfefferspray stark. (Einmal hörte man in einem Interview, dass sich die StadtwächterInnen ja auch gegen Hunde verteidigen können müssen. Ich bin nun wahrlich kein Tier-Experte, aber einem scharfen Hund Pfefferspray in die Augen zu sprühen erscheint mir noch gefährlicher als evschlin Wochenendausflug mit Jörg Haider.)

Ein Pfefferspray ist eine gefährliche Waffe, dies wird leider gerne verschwieden oder verharmlost. Gerade bei Personen, die starke Medikamente oder Drogen eingenommen haben, kann der Einsatz von Pfefferspray auch tödlich enden (siehe Artikel im Spiegel Online).

Und natürlich steht eine Bewaffnung im krassen Widerspruch zu den Bemühungen von SPÖ, ÖVP und FPÖ die Stadtwache als service-orientiertes Ordnungspersonal zu verkaufen. Diese Forderung lässt sich sehr einfach dechiffrieren: Die Stadtwache soll mehr Autorität und Durchsetzungskraft bekommen. Und was wird der nächste Schritt sein? Der Ruf nach mehr Kompetenz, und das heißt Ausweiskontrollen, Personen-Durchsuchungen und Strafmöglichkeiten. Eine Forderungsspirale ganz im Sinne des wirklichen Erfinders, der FPÖ, wird sich in Gang setzen. Und es wird sich herausstellen, wie lange die SPÖ als de-fakto gesetzgebende Macht in Linz den populistisch leicht verkaufbaren Forderungen standhalten wird.

Es steht zu befürchten, dass die Linzer SPÖ so wie die Welser GenossInnen lieber ihren eingeschüchterten, sich nach der Utopie Sicherheit sehnenden StammwählerInnen Marke 50+ beweisen wollen, dass sie sich ihrer Probleme annehmen. Denn dass man einen Detlef Wimmer, eine FPÖ populistisch in ihrem ureigenstem Territorium, dem Geschäft mit der Angst, nicht überholen kann, hat die österreichische Sozialdemokratie leider bis heute noch nicht gelernt.

Daher zum Schluss noch ein Vorschlag: Schaffen wir die Stadtwache einfach ab und kaufen dafür jedem Linzer/jeder Linzerin einen Pfefferspray: Diese kosten pro Stück 4 €, bei 200.000 LinzerInnen macht das gesamt nur 800.000 € – und voilà, wir haben in der vielzitierten Krisenzeit 1.000.000 € gespart. Dann kann jede/r Ordnungsdienst spielen, sich dabei sicher fühlen und die AugenärztInnen machen auch noch einen ordentlichen Reibach.

KUPF Innovationstopf fördert die kritische Plattform Stadtwache Linz

Uns hat heute die freudige Botschaft erreicht, dass das Projekt „Watchdogwatcher“ von der strengen Jury des KUPF-Innovationstopfs als förderwürdig erachtet wurde. Die KUPF hat den vom Land OÖ finanzierten Topf heuer unter das Thema „Mit Sicherheit?“ gestellt:

Grenzenlose Sicherheit! Ein Widerspruch?

Der KUPF-Innovationstopf 2010 lädt ein, sich mit dem Begriff Sicherheit und den implizierten Konsequenzen konkret auseinander zu setzten, Kontinuitäten, Parallelen, Abhängig- oder Widersprüchlichkeiten zu beleuchten, die Bedrohung, welche vom „Sicherheitsdiskurs“ ausgeht, im eigenen Umfeld zu erkennen und wirksame Gegenstrategien zu entwickeln, um sich mühsam erstrittene Freiheiten nicht wieder weg sichern zu lassen.

Die KUPF fordert auf, aktiv zu werden, und sich dem massiven Sicherheits(d)ruck mit praktikablen Modellen entgegen zu setzen!

MIT SICHERHEIT!

Das Projekt „Watchdogwatcher“ besteht aus vier Modulen, das erste davon ist diese Homepage selbst. Die anderen drei Module werden sich ganz konkret mit der Stadtwache befassen, sollte sie Wirklichkeit werden – was ja die BürgerInnenInitiative zu verhindern versucht. Wir möchten noch keine Details verraten, aber alle Infos werden zur gegebenen Zeit hier veröffentlicht. Wir legen euch das Abonnement des Newsletters ans Herz, damit ihr uptodate bleibt.

Insgesamt 12 Projekte wurden ausgewählt, die komplette Liste findet sich auf der Homepage der KUPF. Auch ein zweites Projekt zur Stadtwache wirft schon seinen Schatten voraus…