Interview KAPUzine Nov./Dez. 2010

Ein kurzes Gespräch über subjektives Sicherheitsgefühl, objektiven Schwachsinn und Leute, die sich wehren (aus der Zeitschrift des KV KAPU, KAPUzine Nov./Dez. 2010)

Seit 1. September patroulliert die Stadtwache in Linz, die KAPU hat ihre Hausfassade dementsprechend dekoriert. Für eine erste Zwischenbilanz sprachen wir mit Michael von der Initiative „Linz braucht keine Stadtwache“.

KAPU: Seit 1. September gibt es also die Stadtwache, genannt Ordnungsdienst, wie ist eure Bilanz?

Unsere Bilanz ist natürlich eine andere, als jene der Stadtwache-BefürworterInnen. Wir meinen, dass sich unsere Befürchtungen bereits erfüllt haben. Nicht so sehr, was die konkreten Handlungen der so genannten „Stadtwache“ betrifft. Dazu ist die Zeit noch zu kurz und muss erst Routine einkehren. Längerfristig muss natürlich aber auch mit Zwischenfällen und Vergehen gerechnet werden. Aber was jetzt schon auffällig ist, dass die Stadtwache für rechte und rechtsextreme „Law&Order“-PolitikerInnen ein Vehikel darstellt, um Verschärfungen im Bereich der so genannten „Inneren Sicherheit“ durchzusetzen. Diese Verschärfungen bedeuten immer eine Ausgrenzung und Vertreibung von unerwünschten Personengruppen, wie Obdachlose, BettlerInnen, Punks, usw. Gearbeitet wird dabei immer mit der Schaffung von Feindbildern, Schüren von Ängsten und Verunsicherung.

KAPU: Was darf die Stadtwache nun eigentlich tun? Und was nicht?

Die Stadtwache darf derzeit in keiner Weise polizeiliche Aufgaben wahrnehmen. Stadtwache-Bedienstete dürfen also weder Organmandate ausstellen, noch haben sie das Recht auf Identitätsfeststellung. Es sind daher in erster Linie ordnungsrechtliche Aufgaben, wie die Meldung illegaler Müllablagerungen, der Überwachung der Leinen- und Beißkorbpflicht bis hin zur Erstattung von Anzeigen (was jede Privatperson ja auch darf). Zu den eher lustigen Aufgaben gehört die Überwachung des Surfverbots am Pichlingersee. Bedenklicher ist da schon die Aufgabe gegen illegale Bettelei einzuschreiten. Und rechte und rechtsextreme PolitikerInnen fordern erwartungsgemäß schon eine Ausweitung der Aufgaben und eine Bewaffnung für die Stadtwache.

KAPU: Es gab massive Bedenken, Wimmer könnte seine rechtsextremen Gesinnungsfreunde in der Stadtwache unterzubringen. Was für Leute stecken nun wirklich in der Uniform?

Dazu ist zu sagen, dass soweit uns bekannt, keine bekannten rechtsextremen Personen MitarbeiterInnen der Stadtwache sind. Das ist sicher auch das Ergebnis einer erhöhten Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, die einer Person Wimmer entgegengebracht wird.

KAPU: Watzl wirbt auf einem Plakat mit der Stadtwache, die SPÖ schreibt ebenfalls positiv in ihrer Stadtzeitung, wie interpretierst du das Verhalten der Parteien?

Das Verhalten der ÖVP ist mehr als beschämend. Es zeigt, wie weit nach rechts die so genannte „bürgerliche Mitte“ in diesem Land bereits gewandert ist. Zur SPÖ ist schon viel gesagt worden: Ihr „Umfaller“ nach der Wahl, um machtpolitisch die FPÖ in ihre Stadtpolitik einzubinden und der ÖVP „eins auszuwischen“, ist ziemlich bedenklich.

KAPU: Dobusch meinte in einer Pressekonferenz es gehe klar um das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Auch wenn jeder weiß, dass es teuer ist und nichts bringt: kann der Politik das subjektive Gefühl der Bevölkerung egal sein?

Nein sicher nicht. Nur die Politik ist ja nicht ganz unschuldig, wie das subjektive Sicherheitsgefühl aussieht. Außerdem haben subjektive Empfindungen oft doch auch eine viel komplexere objektive Basis. Die Frage ist doch die: Lässt man sich auf das Spiel der Hetzer und Verunsicherer ein und lenkt mit ab, was wirklich Unsicherheit schafft, oder versucht vielmehr subjektive Ängste und Verunsicherung abzubauen und die realen Lebenslagen der Menschen zu verbessern, um so Sicherheit zu schaffen.

KAPU: Was für Massnahmen könnt ihr euch vorstellen um diesen Unsicherheitsgefühlen zu begegnen?

Sicher nicht mit einer Politik der „schwarzen Pädagogik“, in dem man mit autoritären Mitteln Schuldige und Feindbilder noch miterzeugt. Es ist doch völlig klar, dass in jedem Gemeinwesen und v.a. in einer Stadt es immer wieder auch zu Problemen kommt. Wichtig wäre daher, dass die Problemlösungskompetenz der Menschen gestärkt wird. Überall dort, wo dies nicht ausreicht, sollte professionelle Unterstützung angeboten werden. Aber sicher keine Sheriffs!

KAPU: Im Dezember wird bei den Budgetverhandlungen über eine mögliche Aufstockung entschieden. Wie schätzt du die Lage ein?

Man wird sehen, ob es überhaupt zu einer Aufstockung von jetzt 16 auf 30 Bedienstete kommt. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass natürlich bereits jetzt die Mittel – es sind derzeit schon fast 1 Mio. Euro im Jahr – weit besser in anderen Bereichen (siehe oben) angelegt sind.

KAPU: Ihr habt eine online-Meldestelle eingerichtet. Was kann ich dort tun?

Ganz einfach: Wer Zeuge/Zeugin eines Übergriffes, nicht berechtigten Handlung oder sonstigen sonderbaren Vorfalls mit der Stadtwache wird, bzw. selbst davon betroffen war, kann über die Meldestelle bzw. meldestelle@stadtwachelinz.at eine Meldung abgeben. Wir sammeln diese Meldungen und bringen diese dann auch in die Öffentlichkeit. Wir hoffen so die negativen Auswirkungen einer „Politik der Ordnung und Sicherheit“ in dieser Stadt so gering wie möglich zu halten.

KAPU: Was plant ihr in Zukunft?

Neben der Bewerbung der Meldestelle, geht es uns auch um eine Aufklärung über die Kompetenzen der Stadtwache (was sie darf und nicht darf). Da werden wir eine kleine Informationskampagne starten. Teil dieser Kampagne wird z.B. auch ein kleiner, feiner Video-Spot sein, den wir über diverse Internet-Medien verbreiten werden. Und schließlich steht auch die Vernetzung mit anderen Städten in Österreich und den dort tätigen kritischen Initiativen am Plan.

KAPU: Danke für das Gespräch!

Links: KAPU | Zeitschrift KAPUzine Nov./Dez. 2010

Zustimmung zur Linzer Stadtwache sinkt!

Auch wenn sich „Sicherheitsstadtrat“ Detlef Wimmer (FPÖ) über 60% Zustimmung zur Stadtwache freut, mehr als ein Drittel finden die Errichtung der Stadtwache laut einer Umfrage aber gar nicht als eine gute Idee. (Umfrage zur Stadtwache: Jeder Dritte ist dagegen!, Gratiszeitung „Heute“, 15.11.2010) Und außerdem – bei aller Vorsicht mit Umfragen: Bei einer von der ÖVP noch vor der Einführung in Auftrag gegebenen Befragung waren es noch 70%. Die Zustimmung ist also seit der Einführung gesunken. Wenn es so weitergeht, ist sie bald unter 50%!

Meldestelle auch für Welser Stadtwache

In Wels ist die dortige Stadtwache (offizieller Titel „Ordnungswache Wels“) seit Ende Juni 2009 unterwegs. Sie wurde noch vor der Gemeinderatswahl von der damaligen SPÖ-Mehrheit im Gemeinderat beschlossen. Insgesamt tun in Wels neun Magistratsbedienste Dienst. Die Ordnungswache belastet das Budget in der Messestadt im Jahr mit rund 350.000 Euro zusätzlich.

Die Welser Stadtwache-KritikerInnen berichten über die dortige „Ordnungswache“:
„Als Beispiel erfuhren wir, dass Jugendliche mit ‚Migrationshintergrund‘ oft von der ‚Ordnungswache der Stadt Wels‘ von Sitzbänken am Busknotenpunkt vertrieben werden. Denn Menschen ohne Ticket dürfen sich dort ja nicht aufhalten. Diese sinnlose Verordnung kann und wird nur von der Stadtwache exekutiert. Ebenso wird die von Blau-Schwarz in Wels geplante Verschärfung des Bettelverbots wohl von der Stadtwache dann in die Tat umgesetzt werden müssen!“
Eine weitere Information zu den Tätigkeiten der Stadtwache in Wels kommt von der Sozialistischen Jugend Wels in einer Presseaussendung vom Juni: “So fällt die Stadtwache Wels, seit den Protesten gegen den blauen Bürgermeister-Kandidaten Wieser, dadurch auf, dass sie antifaschistische und linke Plakate herunterreißt, als Vandalismus denunziert und anzeigen will, während im Gegenzug rechtsextreme und neonazistische Pickerl offenbar bewusst ignoriert werden! So zeigen sich also schon bisher die gefährlichen Tendenzen bei den Einsatzkräften der Welser ‚Magistratsarmee‘.”

Die Linzer und Welser Stadtwache-KritikerInnen arbeiten schon seit Sommer zusammen und schauen den städtischen “Ordnungskräften” in Oberösterreich auf die Finger.
Probleme, Vorfälle oder sonstige Schikanen egal ob in Linz oder Wels können in unserem Online-Formular gemeldet werden bzw. direkt an die Welser Stadtwache-GegnerInnen per email gesendet werden.

350 € pro Bettlerverweis?

Ein Kommentar von Karl Klar zum ersten Monat mit der Stadtwache.

Seit einem Monat soll die Linzer Stadtwache alias Ordnungsdienst nun das subjektive Sicherheitsgefühl der LinzerInnen heben. Ein Sicherheitsgefühl, dass der Stadt Linz viel wert ist, immerhin werden 2.000.000 € im Jahr oder 166.000 € im Monat dafür investiert.

Natürlich bleibt die inhaltliche Kritik bestehen: Die Stadtwache ist und bleibt ein politisches Instrument der Rechten und Konservativen. Mithilfe eines schwammig-geführten Sicherheitsdiskurses werden Minderheiten konstruiert und anschließend attackiert, wird Ausgrenzung praktiziert und legitimiert.

Doch jetzt möchten wir mal spaßeshalber die so beliebten Zahlenspiele der Rechten selbst betreiben. Zur Erinnerung: Detlef Wimmer erzürnte sich in der Causa unseres Projekts „Watchdogwatcher“ ja über die persönliche Bereicherung der AktivistInnen, wenn auch mit falschen Zahlen, siehe „Förderskandal“. Das Land OÖ hatte ja knappe 16.000 € kritischen Projekten zur Stadtwache Linz zugesprochen: die Reaktion der FPÖ kam wenig überraschend: „Steuergeldverschwendung!“ attestierte sie. Und nachdem die so oft beschworene Meinungspluralität im Kulturland Oberösterreich auch nur eine gute Figur am Papier, nicht aber in der Realität macht, wurden die Förderungen flugs wieder zurückgenommen, Jurybeschluss hin oder her.

Nun verweist Detlef Wimmer stolz auf die Zahlen des ersten Einsatzmonats:

162 Müllablagerungen, 122 Service- und Informationsfälle, 95 Fälle der Leinen- und Beißkorbpflicht und 61 Fälle der „illegalen Bettelei“. Mit dem Rest ergibt das stolze 472 Einsätze, nach Adam Riese circa 350 € pro Einsatz.

  • 350 € um die LinzAG anzurufen und eine Entsorgung zu veranlassen.
  • 350 € um zu informieren – gibt’s nicht schon eine Infoline der Stadt Linz?
  • 350 € um Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen, ihre Hunde an die Leine zu nehmen.
  • 350 € um einen Bettler zu vertreiben – eine Monatsmiete für eine GWG-Wohnung.

Wie kann es unserer Gesellschaft wert sein, so viel Geld in Tätigkeiten zu stecken, die jede/r von uns selbst erledigen könnte? Wie kann unsere Gesellschaft auf der einen Seite Sozialeinrichtungen sträflich unterfinanzieren und auf der anderen Seite Millionen € in die zynische Sekiererei notleidender Menschen zu stecken?

Es ist höchste Zeit, die Stadtwache abzuschaffen. Nicht nur aus inhaltlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn die 2.000.000 € wären hundertmal besser in Sozial- und Kulturprojekten investiert. Auch wenn die StadtwächterInnen knuddelig aussehen und bis dato noch keine großen Skandale provozierten, sie stehen für eine rückwärtsgewandte Politik.

Karl Klar trifft zwei StadtwächterInnen, 01.09.2010, 08:05

Medienspiegel 05.10.2010

Einen Monat nach Start der Stadtwache wieder ein Medienspiegel. Die Stadt hat eine Pressekonferenz gegeben….

06.10.2010 – OÖN – Stadtwache im Müll-Einsatz

05.10.2010 – Die Presse – So funktioniert die Linzer Stadtwache

05.10.2010 – Der Standard – Linzer Stadtwache im Praxistest – Auch „brenzlige“ Situationen

05.10.2010 – Kronen Zeitung – Müll und Hunde halten Stadtwache in Linz auf Trab

05.10.2010 – Stadt Linz – Informationsunterlage Pressekonferenz „Ein Monat Ordnungsdienst der Stadt Linz“